Fachwerk Ensemble Magnitorwall 11/12 "Handelshof"

Um 1860 erbauter zweigeschoßiger dreiflügeliger Fachwerkbau, mit Tordurchfahrt im mittleren Flügel und einer Krananlage zum Hof im Nordflügel. Ostfassade verputzt und mit schlichten Schmuckformen gestaltet. ( Tor, Giebelfeld, Gesimse, Fenster - Neubarock ? )

Wohl ältester erhaltener Bau ist der Nordflügel mit hohem Walmdach (Kehlbalkendach, Zwischenboden auf Kehlbalken, Rähm auf 2x 4 Stielen mit Streben und Kopfbändern. Im Osten Reste des alten Walmgiebels erhalten), einer Krananlage und altem Gewölbekeller (einfache Tonne moderne Erweiterterung). Im EG und OG anfangs vermutlich Mittelwand in O-W Richtung (längsachse) durchlaufend.

Ostflügel (Mittelbau) mit durchlaufendem Satteldach Hofseitiger Flur im EG und OG. Straßenfront (Magnitorwall) verputzt, mit Giebel über der Tordurchfahrt, dort ein Wappen. Traufe mit Schmuckgesims. Alle EG Fenster mit Fensterläden, diese z.t. noch in situ (Südteil) oder im Keller gelagert. Ostfassade zunächst mit 5 Fensterachsen zu jeder Seite des Tores, später im süden um 2 Achsen erweitert. Über dem Tor je 2 Fensterachsen im OG und im Giebelfeld. Im Dachgeschoß über der Durchfahrt eine Entlastungskonstruktion, darunter im OG ehemals Saal über 4 Fensterachsen und gewölbter Decke mit schlichtem Stuckkranz. Der Dachstuhl ist am Südende erneuert (Mittelpfette), im älteren Teil (Kehlbalkendach) sind an den Dachsparren nach Norden abnehmende Brandspuren sichtbar. Im EG im Nordende Zimmerflucht über 3 Räume und 5 Fensterachsen mit Holz und Glaselementen ausgebaut (Kanzlei).

Südflügel stark umgebaut (Bombenschäden ?). Altes Fachwerk Westende vor 1906 abgerißen. Ein 1939 geplanter Neubau des Südflügels mit KG und 2 OG in Stein auf dem alten Umriß wurde scheinbar nicht ausgeführt. Zunächst blieben zum Hof 5(?) Fensterachsen erhalten. Die westlichen 4 Achsen des verbleibenden Fachwerkbaus wurden zwischen 1941 und 1946 durch zumindest ein Ziegel-EG-neubau ersetzt (Bombenschaden ?, OG?). 1946 Neubau eines OG über dem Ziegel-EG im Südflügel mit Sargdach in Metallkonstruktion und ausgebautem Dachgeschoß. Teilunterkellerung des Südflügels zwischen älteren Fundamenten vor 1946 ?. Westlicher Anbau "Maschinenhalle" 1941 als eingeschoßige Stahlskeletthalle mit flachgeneigtem Dach ausgeführt. Darunter jüngerer Keller ? Kaum Bezug zu Hallenfundamenten.

An der alten Baunaht an der Ostfassade (Verlängerung nach süden) gibt es Setzungsriße mit Putzschäden die zum Teil das Fachwerk freilegen. Beim Bau des Ostflügels wurde dieser um etwa 1,35m über den alten Nordflügel verlängert. In diesem Teil befindet sich eine Treppe. An allen Anschlüßen zum alten Nordflügel gibt es im Treppenbereich senkrechte Riße über EG und OG. Im DG-Ausbau des Südflügels gibt es besonders im Bereich der Gauben Putzschäden durch das Rosten der darunterliegenden Stahlteile.

Das Gebäude wurde von Hermann Koch als Matrazenfabrik und Polsterei genutzt. Im 2.Weltkrieg sollen hier Stahlhelme gepresst worden sein. Seit 1979/80 nutzte die Anwaltskanzlei Schrader das Gebäude.

Blatt Format Zeit Bauherr Inhalt
1 A 3 1906 Dr.Med.W.Bauermeister Westgiebel, Südflügel
2 A 4 vor 1939 Hermann Koch neue Garage
3a A 3 05.1939 Hermann Koch Bestand Übersicht
3b A 3 05.1939 Hermann Koch Gepl. Neubau, Südflügel
3c A 4 07.1939 Hermann Koch Gepl. Neubau, Südflügel
4a A 3 03.1941 Hermann Koch Anbau, Südflügel Halle
4b A 3 03.1941 Hermann Koch Anbau, Südflügel, (WC-Anlage, Ziegel ?)
4c A 3 03.1941 Hermann Koch Anbau, Südflügel
5a A 4 25.05.194? Hermann Koch Beseitigung von Bombenschäden
5b A 3 28.06.1946 Hermann Koch Teilunterkellerung, Südflügel
5c A 3 02.07.1946 Hermann Koch Aufstockung, Südflügel
5d A 3 02.07.1946 Hermann Koch Aufstockung

Weitere Anmerkungen:
Die Umgebung des Grundstücks bekam erst nach 1945 seine heutige Gestalt, als die Georg-Eckert-Straße angelegt wurde und das Grundstück zu einem Eckgrundstück wurde. Vor dem Krieg gab es nach norden zwei weitere Bauten und dann nach Westen, der heute verschwundenen Schulstraße folgend, einen weiteren Bau, bis die Straße an der Schule vorbei zur Friesenstraße führte. Der heutige Magnitorwall liegt in etwa auf der mittelalterlichen Stadtgrenze. Die alte Friesenstraße zweigte am Ackerhof vom Ölschlägern nach nordosten ab. Das Grundstück lag damals vermutlich im Bereich des Hofes des an der Friesenstraße gelegenen Haus zum Torwege oder wahrscheinlicher des Warberger Hofes.
1692 begann man mit der Anlage eines modernen Bastionenringes um die Stadt. Das Steintor lag dabei zwischen den Bastionen Ulrich und Anton. Vom alten Steintor im Norden und dem Magnitor im Süden, die beide zunächst blockiert wurden, führte eine neue Straße, der Sandweg zum zwischen beiden gelegenen neuen Steintor. Der Bau der Festungsanlagen wurde um 1740 abgeschloßen, obwohl die Gesammtanlage nie vollendet wurde. Die Anlage veraltete schnell und wurde schon 1769 wieder aufgegeben. Von 1798 gibt es einen Katasterplan auf dem unser Grundstück die Nummer 2263 trägt und die Grunstücksgrenzen den heutigen entsprechen. Am Sandwege, dem heutigen Magnitorwall, entstanden im Süden Dragoner Ställe und daran nach Norden anschließend das Baumagazin. Als nächstes folgen die Grundstücke 2263 und 2264, dann ein kleiner Platz und weitere Dragoner Ställe bis zur Einmündung der Friesenstraße.
Ab 1802 begannn man mit der Schleifung der Bollwerke und bis 1831 war der neue Grüngürtel auf den alten Wallanlagen fertiggestellt. Das Haus Magnitorwall 7 wurde schon 1812 erbaut, das Haus Magnitorwall 5 erst 1863. Die Schule (Heute Georg-Eckert-Str.1) wurde 1870 errichtet, Die Schulstraße mag aus dieser Zeit stammen oder erst nach 1889. Auf der Karte von 1841 wird unser Grundstück als bebaut gekenzeichnet, Gebäudeumrisse werden aber nicht angegeben. Das die Umgebung beherschende Herzog Anton Ulrich Museum wurde 1883-87 errichtet.

Das Grundstück lag also zwar innerhalb der mittelalterlichen Befestigung (möglicherweise lag die mitteelalterliche Stadtmauer im Bereich des Grundstücks), dürfte aber bis um 1700 als der Sandweg entstand nur Hof oder Gartenland gewesen sein. Vermutlich war das südlich angrenzende Gelände des Baumagazins früher erschlossen, da die Herrendorftwete bis hier fürte. Der Stallbau von Magnitor 1 von 1474/85 nimmt auf diesen Weg bezug.
Der Nordflügel von Magnitorwall 11/12 ist am ältesten und es wäre denkbar, das er anfangs zu den Dragoner Ställen (eine erste Funktion als Stall wurde erwähnt) oder zu dem Baumagazin gehörte (möglicherweise im Rahmen des Schloßneubaus ab 1718 auf dem nordöstlich gelegenen Gelände des ehemaligen Grauen Hofs der Zisterzienser von Riddagshausen.)
Die angegebene Bauzeit von um 1860 ist für den Ost- und Südflügel sicherlich zutreffend, der Nordflügel mag die Reste einer älteren Bebauung enthalten, die vielleicht ein Jahrhundert früher zu datieren wären.