Die romanische Backsteinarchitektur nördlich der Elbe

Seit dem Ende der letzten Eiszeit vor ca.10.000 Jahren, ist die Norddeutsche Tiefebene von einer mächtigen Sedimentschicht bedeckt. Anstehenden Fels oder andere Reste der Zeit vor der Eiszeit gibt es nur an ganz wenigen Stellen. In Schleswig-Holstein zum Beispiel am "Roten Kliff" auf der nordfriesischen Insel Sylt oder in Gestalt des Buntsandsteinfelsens von Helgoland. Für die Baugeschichte haben aber diese "Geologischen Fenster" in die Vergangenheit weniger Bedeutung. Interessanter sind dagegen der Kalkberg von Bad Segeberg und sein Gegenstück in Lüneburg. Beide verdanken ihre Entstehung den darunter liegenden Salzdomen, welche das darüber anstehende Gestein nach oben gedrückt haben. Beide haben weit und breit die einzigen Höhenburgen getragen in der sonst an solchen Erhebungen sehr armen Ebene. beide sind heute fast verschwunden weil sie abbaubare Schätze bargen. In Lüneburg hat man schon früh im 9. und 10.Jh. begonnen Salz abzubauen und so der Stadt zu großem Reichtum verholfen, in Segeberg hat man den "Kalkberg", der eigentlich ein Gipsberg ist, abgetragen und zu Rohstoff für Mörtel und Stuck verarbeitet, der in viele Gegenden Norddeutschlands genutzt wurde. Die Gletscher, die das Land mit der feinen Sedimentschicht verschütteten, haben aber auch Felsen aus Skandinavien mitgebracht und diese Granitblöcke, als sie sich Zurückzogen, hier "liegengelassen". Diese Findlinge waren das einzige Gestein das es zum errichten von Bauwerken gab. Die Ersten die damit Bauwerke schufen waren die Menschen der Megalithgräberkultur, die unzählige Hünengräber aufschichteten und an einigen Stellen Trockenmauern bauten. Seit der Eisenzeit aber geraten diese Techniken immer mehr in Vergessenheit und zur Zeit der Römer gab es in Norddeutschland vermutlich nur Holzbauten. Den Germanen scheinen die Steinbauten auch lange suspekt geblieben zu sein, zumindest siedelten sie nach der Völkerwanderung selten direkt in alten Römerruinen sondern ließen sich eher in einiger Entfernung von diesen nieder. Einige Städte, wie Köln, Trier und wohl auch Augsburg und Regensburg, blieben allerdings immer bewohnt und führten die handwerklichen Traditionen der Römer, wie die Glasherstellung in Köln, fort. Sicherlich blieb auch die Kenntnis der Ziegelherstellung erhalten, da zumindest die Dachziegel seit der Antike produziert wurden und auch einige Bauten, wie der Römerturm in Köln, als Anschauungsobjekt erhalten blieben. (tegula > Tiegel > Ziegel)

Teile des Danewerks bei Schleswig werden vor 1181 aus Ziegeln errichtet. Das der dänische König Knut der Große (1016-1035) in Schleswig Steinbauten beginnen ließ scheint fest zu stehen (z.B. Domchor mit runder Apsis, sonst Holzbauten seit 1071 dendrologisch nachweisbar) ob er aber auch solche aus Ziegeln bauen ließ ist nicht bekannt. Der dänische Jarl in Schleswig, Holstein und König in Wagrien, Knut Laward, hat scheinbar auch Bauten aus Stein errichten lassen, aber weder die Burg auf dem Aelberg (Segeberger Kalkberg) noch die Rundkirche von Schlamersdorf sind erhalten. Von der karolingischen Kirche in Meldorf (vor 823), der Kirche in Haithabu (um 850 von Ansgar errichtet) oder den ersten Domen in Schleswig 948, Oldenburg (Starigard) 940, Ratzeburg oder Mecklenburg wissen wir nur wenig, denn was es an Bauten gab ist 1066 im großen Slawenauftstand verloren gegangen.

Greifbar wird die Ziegelbaukunst erst mit dem Kloster in Faldera, welches Vicelin um 1127 begann. Leider ist dieses nachweislich aus Ziegeln errichtete Bauwerk nicht mehr erhalten, aber es gibt noch einige Zeichnungen und Beschreibungen. 1134 ließ der deutsche Kaiser Lothar III den Aelberg mit der "Siegesburg"(Segeberg) neu befestigen und gründete am Fuß des Berges ein Kloster. Dieses sollte nach sächsischem Vorbild errichtet werden, aber schon 1138 zwang ein Aufstand der Slawen den Konvent das Kloster nach Högersdorf jenseits der Trave zu verlegen wo sie 1149 eine neue Kirche weihten. 1155 zogen sie wieder nach Segeberg zurück und vollendeten die beschädigte Kirche. Der nächste große Ziegelbau war der neue Dom in Oldenburg, den Vicelin bald nach seiner Weihe zum Bischof 1149 begann und der von Bischof Gerold 1156 geweiht wurde.

In Alt-Lübeck (Liubice) gab es schon im 10.Jh. eine Holzkirche die um 1070 von einer Kirche mit zumindest Steinernen Fundament ersetzt wurde, diese ist dann aber in den Kampfhandlungen von 1138 untergegangen. Graf Adolf ließ danach 1143 auf der Halbinsel Boku eine Nachfolgesiedlung gründen, die er Lübeck nannte, aber auch diese ging nach Überfällen, dem Entzug des Marktrechts durch den jungen Herzog von Sachsen, Heinrich dem Löwen, und einer Feuersbrunst im Jahr 1157 zugrunde. Einer herzoglichen Neugründung, der Wakenitzaufwärts gelegenen Löwen-stadt war kein Erfolg beschert, so daß der Herzog Lübeck 1159 auf dem alten Hügel Boku an der Trave wieder neu gründen ließ. Bischof Gerold ließ den Bischofssitz 1160 von Oldenburg nach Lübeck durch den Herzog verlegen, sicherlich begann er auch gleich mit einem neuen Dom. Eine Marktkirche wird in Lübeck 1161 erwähnt, vermutlich eine Vorläuferin der Kirche St.Marien an der jetzigen Stelle oder mehr zum Travehafen hin.

Der Grundstein des von Herzog Heinrich geförderten in wesentlichen Teilen noch Heute erhaltenen lübecker Bachsteindoms wurde 1173 gelegt. Der Vorgänger von 1160 war vermutlich aus Holz. 1149 wurde der magdeburger Propst Evermod zum Bischof von Ratzeburg investiert. Bald nach 1154 begann er mit dem Neubau des 1066 untergegangenen Doms. In Schwerin wurde etwa zur selben Zeit ebenfalls ein Backsteindom gebaut. Diese drei von Herzog Heinrich dem Löwen geförderte Bauten werden gern mit der Stiftskirche St.Blasius in Braunschweig, seit 1173 im Bau, zu einer Gruppe zusammengefaßt, die zumindest am Anfang von Königslutter und der Romanik nördlich des Harzes beeinflußt wurde. Später wurde aber vor allem in Lübeck der Einfluß aus Westfalen, vermittelt unter anderem vom Hamburger Dom, stärker.

1187 gründen die Benediktiner in Lübeck das Kloster St.Johannis. Zusammen mit der Äegidienkirche in Lübeck, der Michaeliskirche in Eutin, der Nikolai-kirche in Mölln und der Kirche zu Altenkrempe bildet dieser Bau eine kleine Gruppe von Kirchen die alle nach einem ähnlichen Schema gebaut sind. Die spätromanische Basilika in Altenkrempe, zwischen 1197 und 1225 erbaut, ist besonders gut erhalten.

Von der nach 1190 begonnenen und 1236 oder Kurz danach geweihten Klosterkirche der Zisterzienser in Reinfeld hat sich, außer einzelnen Ziegelsteinen, im Museum nichts erhalten. Auch die von den Mönchen errichtete Kirche in Wesenberg ist später abgerissen worden. Nur in Zarpen steht noch die 1221 von der klösterlichen Bauhütte erstellte Kirche. Sie ist wohl einer der letzten romanischen Bauten in Holstein und steht der Gotik schon sehr nahe.