Abendlied

Matthias Claudius

(1740-1815)


Der Mond ist aufgegangen,
Die gold'nen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille
Und in der Dämmerung Hülle
So traulich und so hold !
Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergeßen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen ? -
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön !
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getroßt belachen,
Weil unsere Augen sie nicht seh'n.

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen garnicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun !
Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder froh und fröhlich sein !

* * *
Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanfeten Tod !
Und wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Da unser Herr und unser Gott !

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott! mit Strafen
Und laßt uns ruhig schlafen !
Und unsern kranken Nachbar auch !


Das Gedicht ist weitaus bekannter als Text zu dem Kirchenlied
- Der Mond ist aufgegangen - ; gesungen nach der Melodie von
- Johann Abraham Peter Schulz, 1790

Quellen im Internet:

Versuch einer Übersetzung in Englisch.