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Das Herzogsgemach in Reinfeld

 

 

Das Zisterzienserkloster in Reinfeld hatte für die Unterbringung hochrangiger Besucher ein Gästehaus, das sogenannte Jagdhaus, Herzogsgemach oder Herrenhaus. Heinrich Rantzau übermittelte 1579 seinem König, Friedrich II. von Dänemark, einen Grundriß des "alten Herrenhauses", daß als Unterkunft bei Jagten diente. Dieses war Baufällig und sollte instandgesetzt werden. Text unter dem Grundriß des Reinfelder Herrenhauses:

Abriß der Alten Heren Hauß zum Reinfelde dar inne die Alten Herren und Graffen gelegen wan sie uff der Jagt gewesen.

(Nachweis: Landesarchiv Schleswig-Holstein, Abt.65.1, Nr.186, Relation des Statthalters Heinrich Rantzau an Friedrich II.v.DK von 1579, Beilage.)

Text des dazugehörigen Briefes:
"Demnach E. König. Mayst. mich auch gnedigst befohlen, ein gemach zum Reinfelde zu zurichten lassen, als hab ich bei dem Abt die befürderung getan, das das haus, das Hertzog Adolfen von Holsten inne gelegen, widerumb wird zugerichtet, und hoffe es soll gegen die künftige Ostern fertig werden. Es ist eine gelegene Küche und Keller darin, und wird zerteilet in gemacher wie mein haus zu Segeberge. Jedoch wird es grösser das Euwer König. Mayst. und andere herin so bescheiden werden darin liggen können, wie E.Kön.Mayst. den Abriß oder Muster desselbigen hiebeiliggendt gnedigst zubefinden, Es wehre auch zu desto schleuniger verfertigung angezeiget haus nicht undienlich, das E. König. Mayst. durch ein klein schreiben gnedigste erinnerung an anzeigen hetten thuen lassen, So soll es alsdan ahn meine fernere beforderung nicht mangelen und wirt dem Abt über 300 thall nicht kosten, So hatt E. König. Mayst. alsda einen gelegenen ort, dar frembde heren mit ihren gemahlen liggen können." Segeberg den 19.Dezember 1579.

In Dänemark wird an Rygard um 1530 der erste Treppenturm nachgewiesen. In Schleswig-Holstein mag der 1976  ergrabene Grundriß von Alt-Wensin bei Schierau in Kreis Plön den ältesten erfaßbaren Treppenturm darstellen, wenn auch zunächst mit einer Rampe ausgestattet. Auch die innere Aufteilung des Hauses, der Wandel vom Einraum zur Aufteilung in Einzelräume mit unterschiedlichen Aufgaben (appartement), vollzog sich in Nordeuropa bei den großen ländlichen Wohnbauten (Burgen, Schlößer, Herrenhäuser u.a.) erst im 16.Jh. entgültig. In Schleswig-Holstein haben sich dabei vor allem Grundrisse der Mehrfachhäuser als älteste Beispiele erhalten. Sie werden hier im Allgemeinen als Ausdruck der gotischen Traditionen angesehen, die in unruhigen Zeiten noch im Barock wegen ihrer vermeintlichen Wehrhaftigkeit verwendet werden. In der Renaissance werden vermehrt Drei- und Vierflügelige Bauten errichtet deren Kern möglicherweise auf Grundrisse wie den von Reinfeld zurückgehen. Obwohl Heinrich Rantzau 1579 das Haus als Renovierungsbedürftig beschreibt scheint es erst aus der Zeit um 1530 zu stammen und so ein Beispiel für die Zeit des Übergangs von den mittelalterlichen Bautraditionen der Gotik zu den neuen Ideen aus Italien und Frankreich der Renaissance (wenn auch noch im gotischen Gewand) darzustellen. 

Bad Segeberg

Heinrich Rantzau sagt das Haus sei ähnlich in Gemächer geteilt wie sein Haus in Segeberg, welches er 1559 errichtete. Von diesem heute nicht mehr vorhandenen Bau (möglicherweise gibt es noch Spuren der Kellergewölbe) hat sich eine Abbildung in der Stadtansicht von Segeberg im Theatrium Urbium von Braun und Hogenberg erhalten (1585/88). Das Haus ist möglicherweise wie die Burg auf dem Kalkberg im 30 Jährigen Krieg untergegangen. Das Haus stand im rückwärtigen Teil des heutigen Grundstücks Lübecker Str.7 am Ufer des Kleinen Segeberger Sees. Zur Strasse hin steht dort heute das große gelbe Wittmacksche Haus. Ein Brunnen, der möglicherweise schon zu Rantzaus Zeiten bestand wurde noch bis nach 1911 benutzt, als in Bad Segeberg Wasserleitungen verlegt wurden.



Pinneberg

Von der Burg in Pinneberg hat sich ebenfalls ein Grundriß erhalten (1662), der dem von Reinfeld durchaus ähnelt, vielleicht handelt es sich hierbei um einen verbreiteten Bautyp. Bezeichnung der Räume im Obergeschoß in Pinneberg.

schlaff-
kamer
Königin
gemach
Drabantenhall Königliche
gemach
schlaff-
kamer
neben-
kamer
neben-
kamer

Eingang

  Baugeschichte des Schloßes zu Pinneberg
1382 Ein Vorgänger der Burg ist an einer anderen Stelle vorhanden.
1472 Die Burg wird an die jetzige Stelle verlegt.
1568 Die Burg in Pinneberg wird statt der Hatzburg die Residenz der Schauenburger Grafen.
ca.1570/85 Ausbau oder eher Neubau des Schloßes. Renaissance Giebel mit Halbrundbögen.
1588 Abbildung auf der von Daniel Freese gemalten "Landtafel" der Grafschaft Pinneberg (Schloß Bückeburg).
1610/13 Neubau der Anlage auf Anordung Graf Ernst III. zu Bückeburgs durch M.Erich Reinharts. Der Bau hatte je eine große Außen- und Innentreppe, außerdem wurden vier große Kamine für das Schloß mit dem Schiff nach Wedel geliefert.
1612 Der Maler Hieronymus wird mit der Ausmalung des Schloßes beauftragt. (3.Juli)
1627 Die Anlage wird von Wallenstein erobert.
1638 Der Bau größerer Wallanlagen wird angeordnet und wohl auch ausgeführt. (Staats-Archiv A x 86)
bis 1640 Sitz der Grafen, danach Besitz des Königs.
1657 Im "Polackenkrieg wird das Schloß von den Schweden verbrannt.
nach 1657 Zeichnung der Ruine. (Reichsarchiv Kopenhagen)
1662 Landschreiber Peter Siecken und Baumeister Heinrich Klünder reichen Zeichnungen zur Widerherrstellung der Ruine ein, die möglicherweise auf Pläne von Gebhard Titgens zurückgehen.
1720 Das Schloß wird abgerißen
1736 Karte mit eingezeichnetem Burgplatz = 170 x 220m.
   
  Landesarchiv Schleswig Abt.3 (ehem.Staats-Archiv A x 86) Briefe aus Bückeburg, 16.9.1610 und 3.7.1612.
1943 L.Petersen, ZSHG 70/71, 236 ff.
1961 Die Kunstdenkmäler des Kreises Pinneberg, W.Teuchert, Seite 234
1980 Peter Hirschfeld, "Herrenhäuser und Schlößer in Schleswig-Holstein."


Glücksburg

Das Rüdekloster im heutigen Glücksburg besaß im Mittelalter ein Gästehaus, oftmals als Burg des Klosters bezeichnet. Dieses lag nördlich des eigentlichen Klosters, wo noch früher vermutlich tatsächlich eine Burg lag. Als 1962 und 1969 der Schloßteich abgelassen wurde, hat man westlich der Verbindung zwischen dem heutigen Schloß und der Vorburg verschiedene Reste von Bauten gefunden. Weiter westlich lagen vermutlich Wirtschaftsbauten des Klosters, während teilweise bis unter den heutigen Dam die Reste eines Wehrgrabens (einer mitellalterlichen Motte oder Turmburg?) und Mauerzüge eines späteren Ziegelbaues mit den ungefähren Ausmaßen von etwa 8 mal 20 Metern ausgegraben wurden. Dieser Ziegelbau wurde mit dem Gästehaus des Klosters gleichgesetzt und gehörte vermutlich dem gleichen Gebäudetyp wie die Bauten in Reinfeld und Segeberg an. Das Gästehaus wurde wohl 1582 zusammen mit dem Kloster abgerissen um für den Neubau des Schlosses (1582-87 durch Nikolaus Karies) Platz zu schaffen und Baumaterial zu gewinnen.


Weitere Vergleiche

Schon beim Kloster Cluny in Burgund (Zeitabschnitt Cluny II) hat es ein Gästehaus gegeben das man als Vorstufe zu dem von Reinfeld betrachten kann. Das Gästehaus von Odilo (10.Jh.?) wurde ebenfalls in der Mitte der Längstseite von einer Treppe erschlossen, die in eine Eingangshalle führte, von dort schlossen sich zu den Seiten die beiden großen zweischiffigen Schlafsäle, jeweils einer für die Männer und einer für die Frauen, an. Das Prinzip der zentralen Erschließung über einen öffentlichen Raum an den sich Zimmerfluchten anschließen die mit zunehmender Entfernung immer privater werden hat es wohl schon in der Antike gegeben. Etwa im Kaiserpalast von Split oder bei römischen Villen:

Vergleiche auch:

 

 

Später hat man die häufig durch einen Treppenturm vor der Halle stattfindende Erschließung der Stockwerke in das Gebäude gezogen, so das man durch den Haupteingang zunächst eine Halle betrat die eine oftmals repräsentative Treppenanlage beherbergte. Von dort gelang man in den Ball oder Gartensaal, der oft oval war oder zumindest abgewinkelte Ecken oder ein ovales Muster im Fußboden besaß und sich durch Türen und Fenster zum rückwärtigen Garten öffnete. Links und rechts erschlossen sich abgeschiedenere und privatere Gemächer, durch die Tiefe der immer größer werdenden Bauten begünstigt, zumeist zweizügig und später häufig durch einen mittig gelegenen Gang erschlossen. Hier mögen auch Erfahrungen aus den Entwicklungen im Konzept der hintereinanderliegenden Mehrfachhäusern eingeflossen sein. Jedenfalls ist hier eine Entwicklungslinie aus dem an der Längswand erschlossenem nördlichem Urhaus über die Einführung von Kammern an den Enden links und rechts der Haupthalle in der Spätgotik oder spätestens mit der Renaissance (um 1530/45 in Nordeuropa) hin zum Schlossplan des Barocks mit Gartensaal und Eckpavillons vorstellbar.

Parallel verläuft in Norddeutschland möglicherweise eine Entwicklungslinie im Bauernhaus, wo die eine Seite des Hauses dem Vieh und die andere Seite den Menschen zugeteilt wird. An der Seite der Menschen werden später ebenfalls Kammern angefügt, als man zum Heizen im Winter vom offenen Feuer zum Ofen übergeht. Das Vieh wird recht spät vom zentralen Erschließungsraum durch eine Wand abgetrennt, wodurch der gleiche Raum, der im Schloss zum Garten- oder Ballsaal wird, im Bauernhaus zum reinen Flur degradiert wird. Die Entwicklung in reinen Wohnhäusern verläuft ähnlich, wobei sich hier ein symmetrischer Grundriß mit je zwei Räumen links und rechts eines mittleren Flures, der das Haus durchquert, bildet. (Möglicherweise das Vorbild des nordamerikanischen sogenannten "I House".) Wo der Platz nicht reicht, etwa auf den schmalen aber tiefen Grundstücken in den Städten, wird nur eine Seite gebaut, wobei sich hier die Entwicklung mit dem Typ des Saalgeschosshauses des Kaufmanns und Handwerkers in seiner späteren Ausbildung verbindet.
Ein später Verwandter dieses Grundrisses begegnet uns heute noch häufig bei vielen Reihenhäusern.

 

xx

 


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