Die Landkarte stellt ausgesuchte frühe Kirchenbauten der Romanik an der Lübecker Bucht dar. Es geht um das Umfeld der kleinen Backstein Basiliken der Hochromanik bis zu der Übergangszeit zur Frühgotik.
Flachgedeckte Basiliken
Die Flachgedeckten Basiliken stellen die frühesten repräsentativen Bauten
der Karte dar. Bewusst wird auf vorhergehende Holzbauten, etwa in
Liubice-Alt-Lübeck oder Oldenburg, nicht eingegangen. Die meisten der
frühesten Bauten sind heute verloren. Von den frühen Vorgängern der heutigen
Bauten in Lüneburg und Bardowiek haben wir kaum eine Vorstellung. Ob zum
Beispiel St.Michael in Lüneburg tatsächlich zu dieser Zeit eine Basilika war
läßt sich auch nicht mehr ergraben, da der Kalkberg auf dem die Kirche damals
stand heute zum größten Teil abgebaut ist.
In Hamburg wurde eine Pfeilerbasilika ähnlich dem Dom in Bremen ergraben. Vielleicht war seine Gestalt wichtig für die Domkirche von Oldenburg. Nachdem der Bischofssitz 1160 nach Lübeck verlegt wurde verlor Oldenburg an Bedeutung. Die Kirche wurde deshalb nie neu erbaut und so haben sich große Teile des Ursprungsbaus erhalten. Die Grundmaße ähneln denen des Bremer Dombaus V von um 860 oder auch des Domes von Dalby in Schonen, dem heutigen Südschweden. In Schleswig-Holstein stand in Bad Oldesloe eine, durch einen späteren Neubau ersetzte, vergleichbare Kirche, allerdings nicht aus Ziegeln sondern aus Feldsteinen errichtet. Vergleichbar sind auch die kleinen Basiliken von Sandau und Schönhausen im Umfeld des Klosters von Jerichow in Sachsen-Anhalt und die Nikolaikirche in Brandenburg.
Möglicherweise ist der Dom von Oldenburg der erste vollständig aus
Ziegeln errichtete Kirchenbau in Holstein, vielleicht gebührt diese Ehre auch
einem Vorgänger der Klosterkirche von Bad Segeberg.
Große Basiliken im gebundenem System
Die nächsten Projekte
waren vermutlich die Großbauten der Dome von Ratzeburg, Lübeck und
Schwerin.
Da die alte Klosterkirche von Neumünster ebenfalls durch einen Neubau ersetzt
wurde läßt sich nur noch schlecht nachvollziehen welche Zeitstellung und
Bedeutung die Backstein Erweiterungen der Feldstein Saalkirche für die anderen
Bauten in Holstein hatte.
Als nächste wichtigen Bauten muß man vermutlich den Neubau der Klosterkirche in Bad Segeberg und die Kirche von Eutin betrachten. Beide zeigen eine deutliche Verwandtschaft zum Dom von Lübeck. In Eutin scheinen die Elemente die ihren Ursprung in Lübeck haben noch weiter entwickelt worden zu sein als in Bad Segeberg, das auch Beziehungen, etwa bei den Palmetten-Ringband-Kapitellen (nach Großmann), zu Sächsischen Bauten hat. Zusätzlich scheint Eutin aber noch andere Einflüße zu verwerten. Vielleicht bestand hier ein Einfluß von niedersächsischen oder westfälischen Bauten aus dem Umfeld von Marienfeld.
Kleine Basiliken im gebundenem System
Leider hat sich die Klosterkirche des Johannisklosters in Lübeck nicht
erhalten, somit läßt sich nicht genau prüfen ob dieser Bau tatsächlich der
Erste einer Gruppe von kleinen Basiliken war. mit der Johannisklosterkirche in
Lübeck wurde möglicherweise schon 1177 begonnen, mit Eutin um 1190. Vielleicht
ein halbes Jahrzehnt später beginnt man mit dem Ersten Bau von vier Kirchen,
deren Hauptentstehungszeit vor 1250 beendet war. Der Chor von Mölln lehnt
sich noch an das nahe Vorbild vom Ratzeburger Dom an, vielleicht ist er auch
etwas älter. Spätestens um 1197 wurde mit der Basilika in Altenkrempe
begonnen. Zunächst wurde der Chor gebaut, gefolgt von der Apsis. Der Gesamtplan
war wahrscheinlich auch schon früh festgelegt, vielleicht wurde das ganze
Fundament recht rasch gebaut, ehe man mit dem aufgehendem Mauerwerk zunächst im
Osten begann und sich dann nach Westen vorarbeitete. Das Langhaus in Mölln
entstand möglicherweise nur um wenige Jahre versetzt etwas später. Die Kirchen
in Nusse wird allgemein etwas später angesetzt, leider hat sich von ihr nichts
mehr erhalten außer ein Aufmaß kurz vor dem Abriss. Das Langhaus in Svendborg
hat große Ähnlichkeiten mit den Bauten in Ostholstein, obwohl der Chor eher in
die dänische Bautradition passt, wenn auch einige Elemente eigenwillig
interpretiert sind. Ob tatsächlich ein Bautrupp hier auf Fünen tätig war, der
auch in Ostholstein gearbeitet hatte oder vielleicht ein kundiger dänischer
Fürst oder reiche Händler den einheimischen Bauleuten detailliert berichtet hat
was er auf der anderen Seite der Ostsee gesehen hat, wäre interessant zu
erfahren. Von 1202 bis 1227 jedenfalls gehörte Schleswig-Holstein bis zur Elbe,
mit Lübeck und Hamburg zum Dänischen Königreich. Zumindest am Anfang hat das
dänische Königshaus die neuen Provinzen und Städte, sowie Handel und Kultur
nach Kräften gefördert. Es wäre noch zu prüfen wie eng die Zusammenarbeit
und umfangreich der Austausch im Bereich der Baukunst war und ob sich das nach
der Schlacht von Bornhöved tatsächlich schlagartig änderte. Auf Rügen haben
sich einige Kirchen mit dänischem Einfluß erhalten. In Ostholstein scheint es
solche Bauten kaum zu geben (beispielsweise Brügge, Flintbeck, *Schlammersdorf,
Schleswig *St.Michael?). Möglicherweise bestand die Verbindung aber auf
anderem Gebiet. Während vermutlich die Kirchen von Ostholstein zu der Zeit eher
nach Dänemark im Norden und Mecklenburg im Osten ausgestrahlt haben, bestand vielleicht eine
entgegengesetzte Beeinflussung im Bereich der Herrschaftlichen Profanen Bauten.
Es scheint einen dänischen Palasbau in Schleswig gegeben zu haben und die
nördliche lange Halle des Burgklosters von Lübeck geht wohl ebenfalls auf
einen dänischen Palas der Burg von Lübeck zurück. Vielleicht gab es
ebensolche herrschaftlichen Hallen in den Burgen von Segeberg (erste Anlage von
Knut Laward auf dem Alberg) und Ratzeburg (Ausbau unter Albrecht von
Orlamünde?),
nicht zu vergessen die ebenso längs vergangenen Burgen in Rendsburg
(Reinoldsburg angeblich 1100 vom dänischen König Björn errichtet) , Flensburg
(um 1200 von Dänen gegründet, die Dulsburg wurde allerdings erst 1411 an der
Stelle eines alten Adelssitzes errichtet)
und Plön (Ausbau der 1173 auf den heutigen Schloßberg verlegten Burg?).
Kloster Reinfeld
Ein weiterer wahrscheinlich bedeutender Bau mag das Kloster von Reinfeld gewesen
sein. Für spätestens 1236 ist eine Weihe überliefert, ob damit die
Schlußweihe für eine vollendete Klosterkirche gemeint war läßt sich nicht
mehr genau feststellen. Analog zu den Klosterkirchen von St.Johannis in Lübeck
und dem Lögumkloster, im heutigen südlichem Jütland in Dänemark, wäre eine
spätromanische Basilika im gebundenen System denkbar. Die Lage der
wenigen Ziegelfunde vor Ort lassen allerdings wenig Platz für eine große
Kirche, da alles sehr dicht am Herrenteich liegt. Deshalb wurde auch schon
vermutet es könnte sich um eine zweischiffige Kirche ähnlich den
Heideklöstern Ebstorf oder Lüne bei Lüneburg handeln oder gar um einen
einschiffigen Bau wie bei der Klosterkirche von Cismar. Möglicherweise wurde
aber auch der Damm, der den Herrenteich aufstaut, in Richtung der ehemaligen
Kirche verlegt, den dieser brach im Jahr 1636 und das Wasser des Herrenteiches
unterspülte die Mauern der Kirche, so daß diese abgetragen wurde. Ein paar
hundert Meter entfernt wurde auf einem Hügel aus dem Abbruchmaterial eine
Notkirche errichtet, die noch heute besteht. Vielleicht läßt sich ein älterer
Damm eines Tages unter dem heutigen Teichboden nachweisen oder man findet
Mauerzüge die unter dem heutigen Damm verschwinden. In Anbetracht seiner
politischen Bedeutung und des frühen Baubeginns, spätestens um 1190, sollte
man wohl, ähnlich wie bei anderen Zisterzienserklöstern noch nachvollziehbar,
von einer nicht unerheblichen Beeinflußung der Baukultur im Umfeld ausgehen.
Die heutige Kirche in Reinfeld hat eine mit hohen schmalen Nischen gegliederte
Westfront, vielleicht hat man dabei auf Schmuckformen der Klosterkirche bezug
genommen ebenso wie man die Glocken übernahm und auf einen Turm verzichtete und
stattdessen einen Dachreiter am östlichen Ende des Langhauses auf den First
setzten. Vielleicht besaß die Kirche auch an einen flach geschlossenen Chor in
der Ostwand eine Dreifenstergruppe und hat damit zur Ausbreitung dieser
Gliederungsform beigetragen.
Saalkirchen mit Wandgliederung
Man geht davon aus das die um 1221 erbaute Kirche in Zarpen und die 1883 nach
einem Brand abgerissene Kirche von Wesenberg von der Klosterbauhütte des
Reinfelder Klosters errichtet wurden. Beide waren zweijochige Saalkirchen mit
Wandgliederung und einem eingezogenem Chor. Während der flachgeschlossene Chor
von Wesenberg tatsächlich eine Dreifenstergruppe aufwies, hat man in
Zarpen
eine aus fünf Seiten eines Zehneckes bestehende Apsis angebaut. Die Apsis von
Zarpen mag das Vorbild für die Apsis von Rahlstedt gewesen sein.
Zarpen selber
richtete sich vielleicht nach St.Johannis in Lüneburg (ca.1289-1308) oder
Bauten aus dessen Umfeld. Zu dieser Zeit scheint der Umbruch vom Konzept der
Halbkreis Apsis der Romanik zu der 5/8 polygonal gebrochenen Apsis der Hochgotik
noch in einer Experimentierphase gewesen zu sein. Ähnliche Chöre erscheinen
erst ab Ende des 15.Jh. wieder in Schleswig Holstein, zum Beispiel in Heide
(15.Jh.), *Grambeck, Niendorf/Stecknitz (1581), Geesthacht (1685) und Neuendorf
(1504?ab1627erneuert), Neuenkirchen in Dithmarschen (15.Jh. oder nach 1729?),
*Marne (1789?), Brunsbüttel (1677/1723), Wöhrden (1786).
Die Gliederungssysteme von Zarpen und Wesenberg waren einfach gehalten. In Alt-Rahlstedt etwa sind auch runde Elemente verwendet worden. Auch scheinen die vergleichbaren Backsteinsaalkirchen in Wagrien eigenen Vorbildern zu folgen, ebenso wie die Backsteinsaalkirchen in Lauenburg und dem angrenzenden Mecklenburg.
Dreischiffige Hallenkirchen
Interessant is die Entwicklung der Hallenkirchen. Mit dem Bau der
spätromanischen dreischiffigen Hallenkirche mit gleich breiten Schiffen von
St.Petri in Lübeck um 1220-50 und dem nahezu gleichzeitigem aber vermutlich von Lübeck
beeinflußten Bau in Gadebusch (1215-1295) scheint diese Bauart nach
westfälischen Vorbildern an der Lübecker Bucht fußgefasst zu haben. Eine
zweite Gruppe mit schmalen Seitenschiffen ähnlich der Elisabethkirche in
Marburg scheint sich etwas später bis weit nach Mecklenburg ausgebreitet zu
haben (Burg, Landkirchen,
Büchen, Breitenfelde,
Wittenburg, Klütz).
Zweischiffige Hallenkirchen
Als etwas kleinere Lösung mag die zweischiffige Hallenkirche angesehen werden,
obwohl zum Beispiel der Ursprungsbau von Petersdorf auf Fehmarn deutlich
größer ist als die Kernbauten von Büchen oder
Breitenfelde im
Lauenburgischem. Viele der Gliederungselemente und der Stützenformen der
Hallenkirchen ähneln solchen bei den kleinen Basiliken um Altenkrempe.
Gegliederte
Stützen
Neben den großen Mittelpfeilern mit ihren Halbsäulen auf Pilasterartigen
Vorlagen und den eingestellten Rundstäben als Eckdiensten, wie sie vielleicht
nach dem Marienfelder Vorbild in Eutin,
Altenkrempe, Mölln und an der Nordsee
in Meldorf, das vermutlich dem verschwundenem Hamburger Dom als Vorbild folgt,
noch heute zu bewundern sind, prägen die Vierpassäulen das Bild des
Kirchenraumes. Diese Stützenform wurde vermutlich in Segeberg das erste Mal in
Ostholstein verwendet, wenn die Mittelsäulenreihe in Ratzeburg *St.Petri erst
nach etwa 1160 errichtet wurde. Mit ihren weichen runden Formen hat diese
Gliederungsform sicherlich die spätere Viertelstabgotik, die sich von Lübeck
aus in der zweiten Hälfte des 13.Jh. entlang der Ostsee ausbreitete,
vorbereitet. Als Zwischenform zum Kreuzförmigen Pfeiler mit rechtwinkeligen
Kanten kann man den Kreuzförmigen Pfeiler mit abgefasten Kanten betrachten.
Diese Form der Stützengestaltung scheint in der Gotik von den Bündelpfeilern
verdrängt worden zu sein, wenn man auch hier und dort einen kreuzförmigen Kern
mit Vorlagen erahnen kann (z.B.: HL St.Marien).
Vierpaß-Paradiesfünten
In der ersten Hälfte des 13.Jh. waren in Schleswig Holstein und Mecklenburg
Taufen aus gotländischem Kalkstein sehr beliebt. Diese wurden zum großen Teil
schon auf Gotland gefertigt und gelangten wohl als begehrte Ballast der Koggen
in die deutschen Ostseehäfen. Die frühen Taufen dieser als
"Paradiesfünten" bezeichneten standen noch auf weitgehend runden
Sockeln. Spätestens ab 1240 wurden gab es aber auch welche mit als Vierpaß
ausgearbeitetem Sockel und bald auch vierpaßförmiger Taufschüssel, so zum
Beispiel die Taufen von Emmelsbüll, Burg auf
Fehmarn, Haddeby bei Schleswig,
Büchen im Lauenburgischem, Proseken in Mecklenburg und Travemünde. Hier wäre
es interessant zu prüfen ob diese Taufform auf Gotland aus anderen Quellen oder
nach deutschem Auftrag entwickelt wurde. Liste.
Zu der Karte sei noch angemerkt, daß die mit einem Sternchen*
versehenen
Bauten heute nicht mehr oder nur in stark veränderter Form existieren. Ein
zusätzliches Fragezeichen hinter dem Namen besagt, daß es für eine
Rekonstruktion auch keine Anhaltspunkte in form von Plänen oder
Grabungsberichten gibt.
Diese Bauten sind also auf Analogschlüßen begründete reine Vermutungen!
Dies gilt besonders für die frühen Bauten auf dem Kalkberg in Lüneburg, wie
dem Michaeliskloster, den Kirchen in Bardowiek vor der Zerstörung durch
Heinrich dem Löwen und dem Kloster von Reinfeld. Für die anderen
verschwundenen Bauten gibt es zumindest Anhaltspunkte, wenn diese auch, wie zum
Beispiel bei der Rekonstruktion der alten Kirche von Plön, sich auf alte
notorisch ungenauen Abbildungen berufen.